Der Preis der Terminsvertretung

Das Geschäftsmodell der Vermittler von Terminsvertretungen bei Anwälten hat sich offensichtlich etabliert:

Ein Anwalt muss wegen der gerichtlichen Zuständigkeit einen Verhandlungstermin bei einem weit entfernten Gericht wahrnehmen. Handelt es sich um eine relativ einfache Sache, lohnt es sich selten, selbst quer durch Deutschland zu fahren, allein mit der Fahrt nicht nur Fahrtkosten aufzuwenden, sondern auch noch einen ganzen Arbeitstag in Verkehrsmitteln zuzubringen, und dann nach einem 10-Minuten-Gerichtstermin die Rückreise anzutreten. Dafür sind Teminsvertreter gedacht, also örtliche Anwälte, die mit nur geringem eigenem Aufwand nur den Gerichtstermin wahrnehmen. Das RVG sieht für sie eine volle Terminsgebühr und eine halbe Verfahrensgebühr vor. Gerade in einfach gelagerten Fällen entspricht das aber oft nicht dem tatsächlichen Aufwand und der tatsächlichen Verantwortung des Terminsverteters, der oftmals nur die Meinung des Gerichts entgegennehmen und den vorformulierten Antrag stellen muss. Daher haben sich Vermittler von Terminsvertretungen – auch via Internet – etabliert, in denen man als Anwalt einen örtlichen Kollegen zu einem Pauschalpreis beauftragen kann, den jeweiligen Termin wahrzunehmen.

So weit – so gut und auch so kostenschonend für den Anwalt. Auch ich praktiziere dieses Verfahren regelmäßig, sowohl als Auftraggeber als auch als Terminsvertreter.

Trotzdem muss die vereinbarte Pauschalvergütung aber den tatsächlichen Aufwand und die tatsächliche Verantwortung des Terminsvertreters einigermaßen abbilden. Genau das war mir schon bisher manchmal nicht nachvollziehbar: wie kann ein Anwalt kostendeckend von Berlin nach Neubrandenburg zur Terminswahrnehmung fahren und dafür nur 100 Euro verlangen? Aber vielleicht hatte der Kollege einen anderen eigenen Termin dort und konnte „meinen“ Termin mit erledigen.

Nun liegt mir aber die Anfrage eines Internetportals zur Terminsvertretung vor, die alle Grenzen überschreitet: für die Vertretung eines Klägers und Berufungsbeklagten vor dem OLG Dresden bei der Geltendmachung von Architektenhonorar wird ein Honorar von 177 Euro angeboten.

Nur mal so die Kalkulation der gesetzlichen Vergütung für diese Tätigkeit: Berufungsverfahren OLG bedeutet, dass die erste Instanz Landgericht war – also es um mindestens 5.001 Euro geht. Das führt selbst beim niedrigst möglichen Streitwert zu einem gesetzlichen Vergütungsanspruch des Terminsvertreters von rund 725 Euro netto.

Arbeitsaufwand knapp kalkuliert: 1/2 Stunde Einarbeitung in die Sache, 1/2 Stunde anreise zum OLG, 1 Stunde Verhandlung, 1/2 Stunde Abreise und Terminsbericht, macht alles in allem 2,5 Stunden – und führt zu einem Stundensatz von 70 Euro – jeder Handwerker ist teurer.

Dazu kommt das Haftungsrisiko: Architektenrecht und insbesondere eine HOAI-Abrechnung sind komplizierte Sachen, erst Recht in der Berufungsinstanz. Für den Salär von 177 Euro haftet der Terminsvertreter dem Architekten in voller Höhe für jeden Fehler, den er macht – ggf. auch für Fehler des Gerichts.

Ich bin mir sicher, es wird sich ein Anwalt finden, der den Termin zum ausgeschriebenen Preis wahrnehmen wird. Es mag auch alles gut gehen. Es sagt nur einiges über die Anwaltschaft aus, wenn für komplizierte Rechtsstreitigkeiten in der Berufungsinstanz derartige Vergütungen, die weder Aufwand noch Haftungsrisiko auch nur einigermaßen abdecken, angeboten und angenommen werden.

 

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. FJ

    Ich sehe nicht ein, dass ein Dritter an der anwaltlichen Tätigkeit mitverdient, zumal der Terminsvertreter i.d.R. den Vermittler bezahlen soll.
    Da wir auch (noch) regelmäßig Anfragen für Terminsvertretungen erhalten, glaube ich nicht, dass sich das Geschäftsmodell etabliert hat. Eine faire Abrechnung bewirkt eine motivierte Arbeit und im Wiederholungsfall etwas, auf das man bauen kann.

    1. admin

      Den letzten Satz unterschreibe ich bedingungslos.

  2. NLG

    Dürften 177 Euro nicht bereits die Grenze der Sittenwidrigkeit durchbrochen haben mit der Folge eines Anspruchs in Höhe des Üblichen? Oder gilt dies für den Anwalt nicht…?

  3. RA Grübeler

    Es bilden sich bereits RA-GmbH, die nichts Anderes „unternehmen“, als Terminsvertreter für 100 oder gar 70 € zu suchen, zu finden und die Vergütung des TV abwickeln. Präsenztermine für 100 € werden von diesen Kolleg*innen u.a. als „Kröten“-Termine beworben, für die/der übernehmende TV, einen „Coin“ erlangt, so dass er später auch mal einen Videotermin für stolze 70 € übernehmen „darf“. Keine Frage, nicht nur diese Art der Verhöhnung der anwaltlichen Tätigkeit, sondern auch die Vereinbarung des nur einen geringen Bruchteil der gesetzlichen Vergütung ausmachenden Honorars ist sitenwidrig und verstößt gegen die Berufsehre der Anwaltschaft. Warum geht gegen diese Unternehmen niemand vor? Was ist nur mit DER Anwaltschaft los?! Die Rechtsanwaltskammern erweisen sich in diesem Fall wohl eher nicht als Beschützer des Berufsstandes.

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