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Corona – Verwirrung um Zulässigkeit des Anwaltsbesuchs

Am 09.01.2021 hatte ich diesen Blogbeitrag veröffentlicht, dass nach dem Gesetzestext der ab 11.01.2021 geltenden SächsCoronaSchV ein Besuch beim Anwalt kein triftiger Grund für das Verlassen der Unterkunft mehr sein soll.

Auf Anfrage der SZ Rechtsanwälte auf Twitter hatte das SMJusDEG geantwortet:

Diese Änderung der CoronaSchutzVO setzt die entsprechende Forderung von RAK und NotK nach klarstellender Streichung um.

Auf meine Anfrage beim der RAK Sachsen teilte diese mir mit:

Diese Änderung in der ab heute geltenden Corona-Schutz-VO geht nicht auf eine Forderung der RAK Sachsen zurück. Wir wandten uns vor dem 14.12.2021 an das SMS hinsichtlich der Aufnahme der Anwaltschaft in den berechtigten Personenkreis, die eine Notbetreuung für ihre Kinder in Anspruch nehmen können. Zum Verhältnis zwischen § 2b Nr. 9 und Nr. 11 äußerten wir uns gegenüber dem SMS nicht.

Die Mitteilung des Social-Media-Teams des Sächsischen Justizministeriums entspricht also nicht der Wahrheit – um es vorsichtig auszudrücken. Auch hat die Streichung nicht zu einer Klarstellung, sondern zu erheblicher Verwirrung geführt.

Weiter teilte das SMJusDEG (offensichtlich nicht nur mir, sondern auch anderen Anfragenden und insbesondere der RAK Sachsen) mit:

Nach übereinstimmender Auffassung der Staatsregierung und damit auch des Sächsischen Sozialministeriums als Verordnungsgeber sind Termine und Besprechungen bei einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt von § 2b Nr. 9 Corona-Schutz-VO erfasst. Danach ist ein triftiger Grund für das Verlassen der häuslichen Unterkunft die Teilnahme an oder die Wahrnehmung von Terminen der Behörden, Gerichte, Staatsanwaltschaften oder anderer Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Unter Letzteres fallen Rechtsanwälte und Notare als Organe der Rechtspflege.

Dieser § 2b Nr. 9 SächsCoronaSchV lautet:

Das Verlassen der Unterkunft ohne triftigen Grund ist untersagt. Triftige Gründe sind:

die Teilnahme an Zusammenkünften der Staatsregierung und der kommunalen Vertretungskörperschaften sowie die Teilnahme an oder Wahrnehmung von Terminen der Behörden, Gerichte, Staatsanwaltschaften oder anderer Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen; dazu gehört auch die Teilnahme an öffentlichen Gerichtsverhandlungen, die Einsichtnahme in Unterlagen, die nach den geltenden Vorschriften auszulegen oder niederzulegen sind, die Wahrnehmung von Terminen kommunaler Räte und von deren Ausschüssen und Organen sowie Maßnahmen, die der Versorgung oder der Gesundheitsfürsorge der Bevölkerung oder dem Kinderschutz dienen. Die Teilnahme an öffentlichen Sitzungen und Terminen ist nach den geltenden Vorschriften zu gewährleisten;

Die Frage ist nun, ob und in welchem Umfang Rechtsanwälte eine „öffentliche Aufgabe“ wahrnehmen. Sicher sind Rechtsanwälte gem. § 1 BRAO „unabhängige Organe der Rechtspflege“. Nehmen Sie aber deswegen aber eine „öffentliche Aufgabe“ wahr und wenn ja – in welchem Umfang? Nur für die Prozessvertretung gegenüber den staatlichen Gerichten oder auch im Bereich der Rechtsgestaltung und allgemeinen Rechtsberatung?

Im Kommentar Grundgesetz (Maunz/Dürig/Korioth, GG Art. 30 Rn. 15) wird der Begriff der „öffentlichen Aufgabe“ als „Begriff mit geringem juristischem Erkenntniswert“ und „konturlos“ bezeichnet.

Im Ergebnis wird man wohl annehmen, dass Rechtsanwälte auch im Bereich der Beratung eine „öffentliche Aufgabe“ erfüllen – ebenso wie Sparkassen, Landesversicherungsanstalten, Berufsgenossenschaften, Kassenärztliche Vereinigungen, Innungen, Forschungsinstitute, Universitäten, Vermessungsingenieure etc. (so auch Weyland/Brüggemann, 10. Aufl. 2020, BRAO § 1 Rn. 6; Aufzählung nach Maunz/Düring a.a.O.).

Ob allerdings durch die beispielhafte Aufzählung in der o.g. Vorschrift ein Großteil dieser Stellen, die öffentliche Aufgaben wahrnehmen, wieder ausgeschlossen wird, kann letztendlich nur ein Gericht anhand einer Analogiebildung sicher beurteilen.

Alles in allem hat die angeblich „klarstellende Streichung“ zum Gegenteil einer Klarstellung, nämlich zu einer erheblichen rechtlichen Unsicherheit geführt.

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