anwalt-haensch-gesetzbuch

Anwalt darf seinem Mandanten nicht alles glauben

Der BGH hat mal wieder eine Entscheidung zur Anwaltshaftung gefällt – zu Lasten des Anwalts.

Was war geschehen?

Ein Mann kommt mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses seiner Frau zum Anwalt und beauftragt diesen, Kündigungsschutzklage zu erheben. Dabei behauptet er steif und fest, die Kündigung sei am 23.12. bei seiner Frau eingegangen. Der Anwalt verlässt sich darauf und reicht am letzten Tag der von ihm korrekt berechneten Frist am 13.01. Kündigungsschutzklage ein. Es stellt sich jedoch heraus, dass die Kündigung nicht erst am 23.12. zugegangen ist, sondern bereits am Vormittag des 22.12 durch einen Boten in den Briefkasten der Mandanten eingeworfen wurde. Folge: die Kündigungsschutzklage ist wegen Fristversäumnis unzulässig und wird abgewiesen.

Nun nimmt die Frau ihren (ehemaligen) Anwalt auf Schadensersatz in Anspruch.

Der BGH meint nun, bei dem Begriff des „Zuganges“ handele es sich um eine so genannte Rechtstatsache. Der Anwalt habe also nicht auf die Auskunft seiner Mandantin vertrauen dürfen, sondern nachfragen müssen, weil seiner Mandantin die rechtlichen Einzelheiten des „Zuganges“ nicht geläufig seien. Folge: der Anwalt haftet auf Schadensersatz.

Meinung des BGH:

Auf die Richtigkeit tatsächlicher Angaben seines Mandanten darf der Rechtsanwalt dabei so lange vertrauen und braucht insoweit keine eigenen Nachforschungen anzustellen, als er die Unrichtigkeit der Angaben weder kennt noch erkennen muss. Dies gilt jedoch nur für Informationen tatsächlicher Art, nicht für die rechtliche Beurteilung eines tatsächlichen Geschehens. Bei rechtlichen Angaben des Mandanten muss der Anwalt damit rechnen, dass der Mandant die damit verbundenen Beurteilungen nicht verlässlich genug allein vornehmen kann, weil ihm entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse fehlen.

Die Ausnahme, dass sich ein Rechtsanwalt grundsätzlich auf tatsächliche Angaben seines Mandanten verlassen darf, gilt deshalb nicht in Bezug auf Informationen, die nur scheinbar tatsächlicher Natur sind. Teilt der Mandant insbesondere sogenannte Rechtstatsachen mit, hat der Anwalt sie durch Rückfragen in die zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände und Vorgänge aufzulösen oder, sofern dies keine zuverlässige Klärung erwarten lässt, weitere Ermittlungen anzustellen.

Im vorliegenden Fall hätte der Anwalt – so meint der BGH – nachfragen müssen, aufgrund welcher Tatsachen der Mandant darauf schließt, dass das Kündigungsschreiben erst am 23.12. zugegangen sei.

Abgesehen davon, dass es zwar usus, aber nicht unbedingt empfehlenswert ist, derartige Fristen bis zum letzten Tag auszunutzen, scheint mir hier die Anforderung an die Tatsachenermittlung durch den Anwalt deutlich überspannt.

Quelle: Bundesgerichtshof: Urteil vom 14.02.2019 – IX ZR 181/17

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