Aus Gründen muss ich mich mit Details des Bundeswahlgesetzes beschäftigen.
Fakt 1:
Das BWahlG sieht für die Aufstellung der Kandidaten zur Bundestagswahl zwingend Präsenzveranstaltungen vor (§§ 21 Abs. 1, 27 Abs. 5 BWahlG). Eine virtuelle Versammlung ist nicht zulässig, auch eine Hybrid-Veranstaltung (also Vorstellung der Kandidaten per Videokonferenz, Wahl selbst als Präsenz- oder Briefwahl) ist ausgeschlossen.
Fakt 2:
Infolge der COVID19-Pandemie wird „dringend empfohlen“ die physisch-sozialen Kontakte zu anderen Menschen außer den Angehörigen des eigenen Hausstandes auf das absolut nötige Minimum zu reduzieren (§ 1 Abs. 1 SächsCoronaSchVO). Zwar sind „Nominierungsveranstaltungen von Parteien und Wählervereinigungen“ gem. § 2 Abs. 4 SächsCoronaSchVO von den Kontaktbeschränkungen ausgenommen und können mit Hygienekonzept und Kontaktdatenerhebung durchgeführt werden (§ 5 SächsCoronaSchVO), es bleibt aber kritisch.
Fakt 3:
Die Bundesregierung und der Bundestag haben das Problem grundsätzlich erkannt und am 09.10.2020 (in Kraft getreten am 14.11.2020) das BWahlG geändert. Nach dem neuen § 52 Abs. 4 BWahlG kann der Bundesinnenminister bei Naturkatastrophen oder ähnlichen Ereignissen durch Rechtsverordnung Abweichungen bei der Benennung von Wahlbewerbern von der oben genannten Situation zulassen. Das gilt aber nur, wenn der Bundestag feststellt, dass die Durchführung von Aufstellungsversammlungen ganz oder teilweise unmöglich ist.
Fakt 4:
Eine entsprechende Feststellung des Bundestages gibt es – Stand 23.01.2021 – nicht.
Fakt 5:
Eine Rechtsverordnung des Bundesinnenministers gibt es – Stand 23.01.2021 – nicht.
Ergebnis:
Parteien sind im Moment gezwungen, für die Aufstellung der Bewerber zur Bundestagswahl Präsenzveranstaltungen durchzuführen, auch wenn das nach der COVID19-Lage ganz und gar nicht sinnvoll ist. Nun kann man als Partei natürlich warten, ob und wann eine Feststellung des Bundestages getroffen und eine Verordnung des Bundesinnenministers veröffentlicht wird. Zeitpläne dafür sind nicht ersichtlich. Bei einem üblichen Vorlag für eine Aufstellungsversammlung (satzungsgemäße Ladungsfristen) von ca. 6 Wochen würde eine Aufstellungsversammlung selbst dann im April angesetzt werden, wenn die beiden Voraussetzungen in den nächsten Tagen geschaffen werden – wofür es keinerlei Anzeichen gibt.
Da die Bundestagswahl am 26.09.2021 – in 246 Tagen ab heute – stattfinden soll, ist das für einen Wahlkampf extrem kurz.
Fazit:
Am Anfang gut gedacht, dann stark nachgelassen …
Dieser Beitrag hat einen Kommentar
Auf Twitter hat mich jemand darauf hingewiesen:
Die Feststellung des Bundestags gibts schon: http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2723/272301.html
Die Verordnung auch, aber sie ist noch nicht vom Bundestag abgesegnet (steht nächste Woche auf der Tagesordnung): http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP19/2726/272692.html
Danke für den Hinweis. Auf der Seite des Bundeswahlleiters/Landeswahlleiters findet sich leider (noch) nichts dazu.