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Der analogen Welt verhaftet

… sind offensichtlich die Richter des BGH.

Gemäß § 754a ZPO darf (ab 01.01.2022 muss) der Zwangsvollstreckungsauftrag an einen Gerichtsvollzieher aus einem Vollstreckungsbescheid auf elektronischem Weg über beA erteilt werden. Der Vollstreckungsbescheid muss dann nicht beigefügt werden, es reicht die Versicherung des Anwalts, dass er ihm vorliegt.

Kann der Gerichtsvollzieher nun aber die beauftragte Vermögensauskunft des Schuldners nicht abnehmen (weil der Schuldner nicht kommt oder nicht da ist) und muss die Angelegenheit zum beantragten Erlass eines Haftbefehls (§ 802g ZPO) an das Gericht abgegeben werden, endet der elektronische Rechtsverkehr nach Auffassung des BGH. dann muss nämlich der Original-(Papier-) Vollstreckungsbescheid dem Gericht vorgelegt werden, so der BGH (Beschl. v. 23.09.2021 – I ZB 9/21):

Das Beschwerdegericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass sich das Vollstreckungsgericht für die Anordnung von Erzwingungshaft (§ 802g Abs. 1 Satz 1 ZPO) – anders als der Gerichtsvollzieher bei der Abnahme der Vermögensauskunft (§ 802c Abs. 1 Satz 1 ZPO) – nicht mit der Vorlage einer Abschrift des Vollstreckungsbescheids als elektronisches Dokument begnügen muss.

Der Sinn und Zweck, das Zwangsvollstreckungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen, gebietet keine erweiternde Auslegung des § 754a ZPO dahin, dass bei einem elektronisch gestellten Haftantrag (§ 802g Abs. 1 Satz 1 ZPO) die Vorlage einer Abschrift des Vollstreckungsbescheids als elektronisches Dokument genügt. Wegen der bei einem elektronischen Dokument im Vergleich zur vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungstitels eingeschränkten Prüfungsmöglichkeit des Vollstreckungsgerichts hinsichtlich der Vollstreckungsvoraussetzungen und der damit – trotz des Schutzmechanismus in § 754a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ZPO – verbundenen Missbrauchsgefahr hat der Gesetzgeber das elektronische Auftragsverfahren auf bestimmte Fälle beschränkt (zu § 829a ZPO vgl. BT-Drucks. 16/10069, S. 34; Hergenröder, DGVZ 2019, 69, 71). Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass bei dem Erlass eines Haftbefehls wegen der Grundrechtsrelevanz einer Freiheitsentziehungsmaßnahme (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und 3, Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG) der Missbrauchsgefahr in besonderem Maß entgegenzuwirken ist und das Vollstreckungsgericht deshalb die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids – ungeachtet der damit verbundenen Verfahrensverlängerung – verlangen kann.

Der elektronische Rechtsverkehr in Deutschland, wohl eine Geschichte, die uns noch länger beschäftigen wird.

Dazu auch: https://mademyday.com/41220

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