Der Geschäftsführer und der Schutzzweck der Norm

Nicht ganz selten kommt es vor, dass jemand einen Vertrag schliet, seine Leistung erbringt, aber keine Gegenleistung erhlt. Das ist dann das weite Bettigungsfeld fr Inkasso. Ebenfalls nicht ganz selten ist es, wenn der nichtzahlende Vertragspartner sich frher oder spter in Insolvenz begibt. Auch wenn das oft das Ende der Fahnenstange ist und in Insolvenzverfahren relativ selten Forderungen in nennenswerter Hhe erfllt werden – das muss nicht sein. Im Rahmen der Verbraucherinsolvenz mit Restschuldbefreiung gilt 302 Nr. 1 InsO: Forderungen die (auch) auf vorstzlich begangener unerlaubter Handlung (z.B. einem Betrug) beruhen, sind von der Restschuldbefreiung ausgenommen. Ist der Schuldner eine GmbH, kann man unter Umstnden deren Geschftsfhrer persnlich in die Haftung nehmen, 823 Abs. 2 BGB.

Ein probater Ansatz hierzu ist der Vorwurf an den Geschftsfhrer, die Insolvenzantragspflicht bei Zahlungsunfhigkeit oder berschuldung der Gesellschaft verletzt zu haben, 64, 84 GmbHG. Denn – so die Argumentation – wenn er rechtzeitige einen Insolvenzantrag gestellt htte, wre man mit dieser Firma schon gar kein Vertragsverhltnis eingegangen.

Dieses Konstrukt hat allerdings seine engen Grenzen, die jetzt der BGH (BGHII ZR 113/13) aufzeigt:

Die Klgerin und ihr Ehemann kauften mit notariellem Vertrag vom 28. Januar 2004 eine Penthousewohnung von der F. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), einer Bautrgerin, deren Geschftsfhrer der Beklagte war. Im ersten Halbjahr 2004 wurde von einem Subunternehmer der Schuldnerin eine Eingangstr in die Wohnung eingebaut. Am 12. August 2005 brach ein Unbekannter durch diese Tr ein und entwendete Schmuck der Klgerin.

Am 30. April 2007 beantragte der Beklagte die Erffnung des Insolvenzverfahrens ber das Vermgen der Schuldnerin, das am 5. Juli 2007 erffnet wurde.

Der BGH meint:

Entgegen der Auffassung der Revision kann der von der Klgerin geltend gemachte Diebstahlschaden dem Beklagten nicht mit der Begrndung zugerechnet werden, bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung wre es nicht zu dem Geschft zwischen der Schuldnerin und der Klgerin gekommen, mit der Folge, dass dann keine unzureichend gesicherte Tr eingebaut, der Einbruch verhindert und der Schmuck nicht entwendet worden wre. Denn der Schutzzweck des 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 64 Abs. 1 GmbHG aF (bzw. 15a Abs. 1 InsO ) erfasst die vorliegende Schadenskonstellation nicht.

und begrndet das wie folgt:

Das Verbot der Insolvenzverschleppung dient nicht nur der Erhaltung des Gesellschaftsvermgens, sondern hat auch den Zweck, insolvenzreife Gesellschaften mit beschrnktem Haftungsfonds vom Geschftsverkehr fernzuhalten, damit durch das Auftreten solcher Gebilde nicht Glubiger geschdigt oder gefhrdet werden. Dieser Schutzzweck rechtfertigt es, den Neuglubigern einen Anspruch auf den Ersatz ihres Vertrauensschadens zuzubilligen (…). Der seine Insolvenzantragspflicht versumende Geschftsfhrer hat einem vertraglichen Neuglubiger den Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entsteht, dass er mit der berschuldeten oder zahlungsunfhigen Gesellschaft noch in Rechtsbeziehungen getreten ist. Der danach zu ersetzende Schaden besteht nicht in dem wegen der Insolvenz der Gesellschaft „entwerteten“ Erfllungsanspruch des Glubigers, der lediglich auf das deliktsrechtlich grundstzlich nicht geschtzte positive Interesse abzielt (…). Der Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung ist vielmehr auf Ersatz des negativen Interesses gerichtet (…). Ersatzfhig sind danach nur Schden, die durch die Insolvenzreife der Gesellschaft verursacht worden sind (…).

Nach der Senatsrechtsprechung ist unter Bercksichtigung dieses Schutzzwecks der Insolvenzantragspflicht in aller Regel nur der Schaden ersatzfhig, der dadurch entsteht, dass der vertragliche Neuglubiger infolge des Vertragsschlusses mit der insolvenzreifen Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz dieser noch Geld- oder Sachmittel als Vorleistungen zur Verfgung stellt und dadurch Kredit gewhrt, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen, oder er infolge des Vertragsschlusses Aufwendungen erbracht hat (…).

Die Entwendung des Schmucks der Klgerin durch einen Dritten steht in keinen inneren Zusammenhang zur Insolvenzreife der Schuldnerin. Die magebliche haftungsauslsende Pflichtverletzung des Beklagten liegt nicht im Einbau der Tr mit geringerer Sicherheitsstufe entgegen der vertraglichen Vereinbarung. Dieser Vorwurf richtet sich vielmehr an die Schuldnerin bzw. deren Subunternehmer. Der Beklagte hat sich dagegen schadensersatzpflichtig gemacht, weil er die insolvente Schuldnerin entgegen 64 Abs. 1 GmbHG aF nicht rechtzeitig vom Markt genommen hat. Wre er dieser Verpflichtung nachgekommen, wre die Klgerin zwar nicht in geschftlichen Kontakt mit der Schuldnerin getreten und es wre – nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Vorbringen der Klgerin – nicht zu der Entwendung des Schmucks gekommen. Dieser kausale Zusammenhang zwischen der Pflicht- oder Normverletzung und dem Schaden beruht bei wertender Betrachtung aber auf einer mehr oder minder zuflligen ueren Verbindung, nmlich auf dem strafbaren Verhalten eines Dritten. Die Insolvenzantragspflicht soll Glubiger aber nicht vor dem Schaden bewahren, nach Insolvenzreife noch Opfer der unerlaubten Handlung eines Dritten zu werden, der zudem in keiner Beziehung zur insolventen Gesellschaft steht. Eine bloe Kausalittsbetrachtung wrde auf eine Haftung fr Zufallsschden hinauslaufen.

Damit der der BGH die grundstzliche Mglichkeit der Haftung des GmbH-Geschftsfhrers noch einmal besttigt und zugleich deren Grenzen aufgezeigt

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