Bereits seit 2006 gibt es im RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) keine Vorgaben für die Abrechnung einer reinen Rechtsberatung. Rechtsanwälte sollen – so das gesetzliche Leitbild – mit den Ratsuchenden vor der Beratung einen angemessenen Preis verhandeln. Das ist natürlich schwierig, wenn man noch gar nicht weiß, worum es eigentlich geht. Viele Anwälte behelfen sich mit der so genannten Erstberatungsgebühr nach § 34 Abs. 1 RVG, die aber eigentlich eine Obergrenze darstellt.
Hin und wieder mache ich daher dabei ein Experiment. Nach der Beratung, wenn der Ratsuchende nach dem Preis fragt, stelle ich ihm die Vergütung frei: was war der anwaltliche Rat Ihnen nun konkret wert?
Mit dem Ergebnis dieses Experiments müssen dann sowohl ich als auch der Ratsuchende und vielleicht künftige Mandant leben.
Nun begab es sich, dass ein Unternehmer mich zu einer Beratung im Erbrecht aufsuchte. Es ging um 3 unterschiedliche Testamente, eine Eigentumswohnung im Wert von ca. 200 T€, die Erbaufteilung, Pflichtteilsansprüche und die anstehenden Auseinandersetzungen in der Familie. Die Beratung dauerte gut eine Stunde, auch wenn inhaltlich der Ratsuchende vielleicht etwas Besseres erwartet hatte, war er mit dem Ergebnis der Beratung sehr zufrieden und hatte einen guten Kompass für die anstehenden Gespräche in der Familie und die Vermeidung eines Streits.
Dann die Frage nach den Kosten und mein Experiment.
Leider hatte der Ratsuchende nur einen 50-Euro-Schein dabei, das war ihm zu viel, 20 Euro hätte er gegeben. Wechseln konnte (und wollte) ich nicht, also verließ der Ratsuchende ohne Kosten meine Kanzlei.
Wie gesagt: es war mein Experiment und mit dem Ergebnis lebe ich, allerdings finde ich es schon bemerkenswert, wie wenig manchen Leuten fundierte Rechtsberatung zu wirtschaftlich für sie bedeutenden Sachverhalten wert ist, mit 20 Euro für eine Stunde liegen wir knapp über Mindestlohn und deutlich unter Handwerker-Stundensätzen.
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20 Euro pro Stunde entspricht 10 Euro pro halbe Stunde. Eine Leistung oder ein Produkt, was man nicht sieht, ist offensichtlich keins.
Anders, bei den wirklich wichtigen Dingen 😉 Dazu etwas Mathematik.
Viele Herren sind nach der Neuöffnung der Friseurgeschäfte fast ohne Murren bereit, für eine durchschnittliche Frisier_halbe_Stunde zwischen 28 und 34 Euro zu geben. Das ganze Spiel wiederholt sich alle 4 Wochen (manchmal eher, manchmal später). Das sind pro Jahr zwischen 336 oder 408 Euro. Nur um gut auszusehen, ggf. auch beim Anwalt der Wahl.
Da bleibt für die Beratung natürlich nicht mehr viel übrig.