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Gesetzentwurf zum Inkassorecht: fragwürdiges Menschenbild des Gesetzgebers

Das Bundeskabinett hat am 22.04.2020 den vom Bundesjustizministerium vorgelegten Regierungsentwurf eines „Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften“ beschlossen.

Dabei offenbar man ein – gelinde gesagt – seltsames Menschenbild. Offensichtlich ist man im Justizministerium der Meinung, dass Verbraucher vor allem umfassend vor sich selbst geschützt werden müssen.

Als Problem wird ausgemacht:

Sehr unbefriedigend stellt sich aber noch immer die Situation bei den geltend gemachten Inkassokosten dar, die im Verhältnis zum Aufwand zumeist als deutlich zu hoch anzusehen sind. Zudem gibt es teilweise noch unnötige Kostendoppelungen und werden mangelnde Rechtskenntnisse der Schuldner ausgenutzt.

Seit dem römischen Recht gilt der Grundsatz „pacta sund servanda“ – Verträge sind einzuhalten. Wer etwas kauft, muss es bezahlen. Tut er das nicht, muss er damit rechnen, Verzugszinsen und Inkassokosten zahlen zu müssen, §§ 286, 288 BGB. Das sollte Allgemeinwissen sein und jedenfalls auch in der Schule gelehrt werden.

Nach § 288 Abs. 4 BGB-E soll das im Verhältnis eines Unternehmers zu einem Verbraucher künftig nur dann gelten, wenn der Gläubiger den Schuldner in Textform „klar und Verständlich“ und „leicht erkennbar“  VOR Eintritt des Verzuges auf diese Rechtsfolge hinweist. Da der Verzug durch Zugang einer Mahnung begründet wird (§ 286 Abs. 1 BGB) und der Hinweis VOR Verzugseintritt erfolgen muss, kann er eigentlich nicht in der Mahnung enthalten sein, sondern erfordert ein separates, der Mahnung vorgeschaltetes Schreiben. Ungeklärt bleibt dabei, wie ein Hinweis erfolgen soll, wenn der Verzug durch andere Umstände begründet wird, etwa durch die 30-Tage-Regel (§ 286 Abs. 3 BGB) oder bei vertraglich vereinbarten Zahlungsterminen (etwa in Mietverträgen – § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Man wird durchaus argumentieren können, dass Verzugskosten nicht anfallen, wenn im Mietvertrag ein solcher Hinweis nicht bereits enthalten ist.

Hier offenbar sich dann auch das Menschenbild des Gesetzentwurfes:

Dennoch treffen insbesondere Verbraucherinnen und Verbraucher die Kosten eines vom Gläubiger beauftragten Inkassodienstleisters (beziehungsweise die Kosten einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts) meist sowohl der Höhe als auch dem Grunde nach überraschend. Das erklärt sich auch daraus, dass Verbraucherinnen und Verbraucher oft nicht in hinreichendem Umfang über die Rechtsfolgen des Verzugs informiert sind. Insbesondere muss eine den Verzug begründende Mahnung nach geltendem Recht keine Belehrung des Schuldners darüber enthalten, dass die Kosten der weiteren Rechtsverfolgung durch Rechtsanwälte oder Inkassodienstleister von dem Schuldner in vielen Fällen als Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung zu tragen sind. Gerade in Bezug auf kleinere Forderungen, bei denen durch die Hinzuziehung eines Inkassodienstleisters beziehungsweise einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts durch den Gläubiger der geschuldete Betrag überproportional ansteigen kann, darf aber angenommen werden, dass ein hinreichend informierter und zahlungsfähiger Verbraucher diese Mehrkosten im Regelfall wohl durch eine rechtzeitige Zahlung abgewendet hätte.

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Anders als von Unternehmern können von Verbraucherinnen und Verbrauchern aber nicht ohne weiteres die notwendigen Rechtskenntnisse erwartet werden, um die Rechtsfolgen des Schuldnerverzugs vollständig zu erfassen.

Zu deutsch: der Gesetzgeber hält den Verbraucher grundsätzlich für zu dumm, um zu wissen, dass bei Nichtbezahlung einer Rechnung zusätzliche Kosten entstehen können.

Unternehmer dagegen – auch Klein- und Kleinsunternehmer – sind grundsätzlich nicht nur clever und allumfassend informiert, sondern sind im Zusammenwirken mit bösen Rechtsanwälten ständig nur bestrebt, den armen Verbraucher über den Tisch zu ziehen – weswegen man die Rechtsanwälte gleich mit verpflichtet, in Inkassoschreiben künftig ihre zuständige Rechtsanwaltskammer für mögliche Beschwerden des armen Verbrauchers mitzuteilen (§ 43d Abs. 1 Nr. 8 BRAO-E).

Alles in allem ist dieses Gesetz – wenn es so in Kraft treten würde – eine mittlere Katastrophe für die Inkassowirtschaft, gesetzgeberisch nicht wirklich durchdacht und offenbart ein Menschenbild des Gesetzgebers, das fragwürdig ist.

 

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