Spatzen und Kanonen

Strafrechtler lästern ja ganz gern mal über „Zivilisten“ wie mich – also überwiegend im Zivilrecht tätige Juristen. Mein heutiger ausnahmsweiser Strafrechtsfall verursacht aber nun bei mir Kopfschütteln.

Die Mandanten betreiben zu zweit einen Online-Versand. Nichts, um reich zu werden, aber er ernährt die beiden so, dass sie nicht (mehr) von staatlicher Unterstützung leben müssen. Die im Durchschnitt knapp 70 Bestellungen pro Tag erfordern dafür einiges an Arbeit.

Wer arbeitet, macht manchmal auch Fehler. So passiert es, dass die Bestellung eines regelmäßig bestellenden Kunden über 55 Euro nicht bearbeitet wird und der Besteller – der Vorkasse geleistet hatte – vom Kauf zurücktritt. Er will natürlich sein Geld zurück und setzt Frist, die – Fehler Nummer 2 der Mandanten – in der falschen Ablage verschwindet und zunächst ebenfalls nicht bearbeitet wird.

Für den Zivilrechtler wäre der Fall klar: mahnen, Mahnbescheid, Vollstreckungsbescheid, Zwangsvollstreckung.

Was macht aber unser Besteller? Drei Tage nach Ablauf der von ihm gesetzten Zahlungsfrist geht er zur Polizei und erstattet Anzeige. Nun sollte man meinen (und das entspricht leider auch meiner Erfahrung in der umgekehrten Situation der betrügerischen Bestellung ohne Zahlungsabsicht und -vermögen), die Staatsanwaltschaft stellt so etwas wegen Geringfügigkeit ein. Doch weit gefehlt. Die volle Härte des Gesetzes trifft unsere beiden Online-Händler: Strafbefehle über 1.200 Euro (30 TS á 40 Euro) und 1.280 Euro (32 TS á 40 Euro). Inzwischen hat der Kunde natürlich seine 55 Euro längst zurück und teilt das auch der Staatsanwaltschaft mit.

Doch erst der Einspruch beider gegen die Strafbefehle und die anschließende mündliche Verhandlung mit anwaltlicher Unterstützung führen zu einem wenigstens einigermaßen angemessenen Ergebnis: einer Einstellung gegen Zahlung von je 150 Euro an eine gemeinnützige Organisation (§ 153a StPO).

Ich möchte nicht wirklich wissen, welche realen Kosten der Justiz entstanden sind, weil ein Kunde nicht in der Lage oder willens war, seine zivilrechtlichen Ansprüche auch so zu verfolgen, sondern die Strafjustiz missbraucht, die das leider auch mit sich hat machen lassen.

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