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Ziviljustiz im Sächsischen Koalitionsvertrag

Am Sonntag, den 01.08.2019 präsentierten die sächsischen Koalitionsparteien CDU, Grüne und SPD ihren Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode. Schauen wir uns an, was sich die Koalition – und ihre künftige grüne „Staatsministerin für Justiz und Demokratie, Europa und Gleichstellung“ Katja Meier – für die nächsten 5 Jahre vorgenommen haben.

Entsprechend meines Tätigkeitsfeldes interessieren mich dabei weniger die strafrechtlichen Aspekte, zu denen der Koalitionsvertrag einiges sagt (Polizei, Strafverfahren, Staatsanwaltschaften, Strafvollzug, Opferschutz etc.) und auch nicht die dienstrechtlichen Vorhaben (Verbeamtungen, Besoldungsgruppen etc.), sondern vor allem die Ziviljustiz und deren ordnungsgemäßes Funktionieren.

Aber offensichtlich leben die Koalitionäre in einer anderen tatsächlichen Rechtswelt, als ich sie erlebe. Während auch in Zivilverfahren – erst Recht in verwaltungsgerichtlichen Verfahren – simple Prozessanträge (z.B. Kostenfestsetzungsanträge) Monate bis zu einer Entscheidung brauchen, konstatiert der Koalitionsvertrag:

Die Leistungsfähigkeit der sächsischen Justiz fußt auf einer angemessenen personellen und materiellen Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften.

Zwar will man auf „besondere Bedarfslagen“ und „Großverfahren“ reagieren, generell gilt aber ein „weiter so“:

Dazu statten wir die sächsische Justiz einschließlich des nichtrichterlichen und nichtstaatsanwaltschaftlichen Bereichs auskömmlich aus und werden auch auf besondere Bedarfslagen (z. B. aktuell in den Sozial- und Verwaltungsgerichten sowie im Rahmen von Großverfahren und besonderen Zuständigkeiten der Staatsanwaltschaften) kurzfristig mit personellen Stärkungen reagieren.

Wie man „kurzfristig mit personellen Stärkungen“ reagieren will, bleibt unklar, zumal die Suche nach Mitarbeitern für den mittleren Justizdienst offensichtlich nicht ganz so einfach ist (vgl. Kampagne „Jobs mit J„)

Das Problem, das Prozesse wegen dauerkranker oder nur halbtags beschäftigter Richter verzögert werden, dürfte zumindest nicht kleiner werden:

Zur Bewältigung des bevorstehenden Generationenwechsels werden wir in der Justiz attraktive und flexible Arbeitsbedingungen bieten. Dazu gehören entsprechende Entwicklungs- und Aufstiegsmöglichkeiten und eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf ebenso wie die Verbeamtung der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare.

Ob das allerdings ausreicht, um die anstehende Pensionierung aller kurz nach 1990 in den Dienst genommenen Richter und Justizbeamten auszugleichen, darf ich bezweifeln.

Aber die Digitalisierung wird es schon richten:

Die Digitalisierung der sächsischen Verwaltung betrifft die Justiz in besonderem Maße. Wir werden die Fachprogramme für die elektronische Vorgangsbearbeitung in der Justiz in weiterhin enger Zusammenarbeit mit den Personalvertretungen fortentwickeln und verbessern.

Angesichts des massiven Investitionsstaus bei moderner Kommunikationstechnik bei der Justiz bezweifle ich auch hier, dass von dem selbstverständlichen „fortentwickeln und verbessern“ entscheidende Impulse für eine modern und effizient organisierte und arbeitende Ziviljustiz ausgehen.

Und mit diesen Punkten – 21 Zeilen im Koalitionsvertrag bzw. 1/2 Seite – erschöpfen sich die Aussagen der Koalitionäre zur Ziviljustiz.

Damit scheint mir, als würde die wichtige Ziviljustiz auch für die nächsten 5 Jahre immer mehr zum ungeliebten 5. Rad am Wagen, geprägt von einem lähmenden „weiter so“. Mit einer effizient und modern funktionierenden Ziviljustiz kann man offensichtlich weder im Wahlkampf punkten noch die jeweilige eigene Klientel der Koalitionäre hinter dem Ofen hervorlocken. Dabei ist gerade eine gut funktionierende Ziviljustiz evident wichtig für das friedliche Zusammenleben der Bürger und eine Wahrung des Gewaltmonopols des Staates. Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn sich damit die Tendenz zur Abwanderung in „alternative Rechtssysteme“ (vom Schuldeneintreiber a la „Moskau Inkasso“ bis zum privaten Schiedsgericht) verstärkt und der Staat einen zivilisatorischen Ordnungsrahmen aufgibt.

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